Meine 3. Reise in den Kongo, 2014

Manuela Erber-Telemaque

Nun reise ich schon zum dritten Mal in die Demokratische Republik Kongo, ich habe Vorfreude auf die Kinder, Mitarbeiter und alle Bekannten in Tshumbe. Auch auf das gute Essen und den herzlichen Empfang freue ich mich schon sehr. Doch zuerst geht es in die Hauptstadt, nach Kinshasa. Schon am Flughafen schauen mich schon alle verwundert an, da ich extrem viel und extrem großes Gepäck habe und das allein, als junge Frau.

Doch inzwischen bin ich die Blicke und Fragen schon gewöhnt und nehme es mit einem Lächeln hin. In Kinshasa wartet viel Arbeit auf mich und das in nur kurzer Zeit. Am großen und chaotischen Markt von Kinshasa kaufe ich einige wichtige Materialien für den Kindergarten (Solarpanel, Batterie, Medikamente, Fahrräder, Stoffe,…) und bringe alles nach und nach zur Verschiffungsagentur, die im Grunde ein zusammengefallenes Haus ist, worin mitten im Geröll ein Schreibtisch und eine Waage steht. So ist das im Kongo, aber ich bin doch zuversichtlich, dass alles in Tshumbe ankommen wird.

Eine extrem wichtige Sache muss ich auch in Kinshasa erledigen: die Registrierung unseres Vereins als NGO im Kongo und die Ansuche auf alle Dokumente für unsere Projekte. Das ist ein Haufen Arbeit und vor allem auch extrem schwierig, denn im Kongo ist alles so korrupt, dass man gar nicht weiß wie, wann und ob man all diese Dokumente bekommt. Zum Glück lerne ich Alphons kennen, er ist ein wirklich hilfsbereiter und lustiger Pfarrer, der sehr viele Kontakte zu den Ministerien, ja sogar zum Präsidenten hat. (alle gehen bei ihm in die Kirche) Durch ihn geht es einfacher und ich bekomme bald einige Dokumente und diese sogar gratis. Das ist im Kongo schon fast ein Wunder, denn normalerweise kann bei solchen Sachen tausende von Dollar verlangt werden, ob es nun rechtlich so vorgeschrieben ist oder nicht.

Nach einiger Zeit in Kinshasa kommen auch Judith und Kerby angeflogen und sie helfen mir bei der Dokumentensuche. Kinshasa hat sich nicht verändert, es ist wie immer viel los auf den Straßen und überall sieht man Menschen.

Nachdem wir viel Trubel hatten um endlich unsere Flugtickets zu bekommen flogen wir nach Lodja. Als wir mit dem Motorrad durch das Dorf fuhren erfüllte mich ein Gefühl des Glücks, ich fühlte mich einfach wohl, musste grinsen, denn ich war bald in Tshumbe angekommen. Auch Judith schaute begeistert von rechts nach links und konnte es kaum fassen, dass nun das Afrika, das sie immer in den Bildern gesehen hatte, so real und nah war. Eine lange und anstrengende Fahrt nach Tshumbe stand uns bevor, doch es verlief alles gut.

In Tshumbe begrüßten uns alle Mitarbeiter, Kinder und Bekannten und mein Lieblingsessen wurde für uns drei aufgetischt. Endlich zu Hause!

Am nächsten Tag zeigte ich den beiden ein wenig Tshumbe und am Tag darauf fing gleich die Arbeit an.

Judith kümmerte sich in ihrer Volontariatszeit vor allem um Jean, unser 10-jähriger Nachbar, der Down-Syndrom hat und nun auch Bildung bekommen soll. Er freute sich immer so sehr mit Judith etwas Neues zu lernen und das natürlich spielerisch. Die Kindergärtnerinnen fingen an bei Judith Gitarre-Stunden zu bekommen und begleiteten schon nach kurzem mit viel Motivation die Kinderlieder. Gemeinsam mit mir, bildeten wir jede Woche für ein paar Stunden die Kindergärtnerinnen aus und weiter. Mit neuen Spielen, Liedern und pädagogischen und didaktischen Ansätzen erlernten die Kindergärtnerinnen Neues und versuchten alles sogleich umzusetzen. Nicht alles funktionierte beim ersten Mal, doch die Hoffnung geben sie nicht auf und probieren es immer weiter. Auch Judith’s künstlerisches Talent beim Malen war sehr vorteilhaft für den Kindergarten, gemeinsam mit den Kindern verschönerte sie die Kindergartenwände, stellte didaktisches Bildmaterial für die Kindergärtnerinnen her und schrieb auf dem Kindergarten „Ècole maternelle Waale Waana“.

Kerby brachte seine Kochkünste mit ein. Er kommt ursprünglich aus Haiti und das ist ein großer Vorteil, wenn man in Tshumbe ist, denn dort herrscht genau das gleiche Klima. Aus diesem Grund auch dieselben Lebensmittel- mit nur einem Unterschied- in Tshumbe wissen die Menschen nicht, was man aus den Lebensmitteln machen kann, wie man sie verwendet oder weiterverarbeitet. Das zeigte Kerby den Frauen, aber auch den Männern bei einem wöchentlichen Kochkurs. Dabei verwendete er nur heimische Lebensmittel, die auch für alle gut erschwinglich oder anbaubar sind. Für die Mitarbeiter veranstaltete er einen täglichen Französischkurs nachdem die Kinder heimgegangen sind. Es ist wichtig, dass das Französisch der Mitarbeiter sehr gut ist und immer wieder verbessert wird, denn sie sind die Sprachvorbilder der Kinder. Bei einem freiwilligen Informatikkurs, den Kerby außerdem noch hielt, nahmen auch einige Mitarbeiter und auch weitere Interessierte teil- vor allem für Papa Fabien war der Informatikkurs sehr hilfreich, denn nun weiß er den Computer, den ich ihm mitgebracht habe, richtig zu bedienen und kennt sich auch in Sachen email-schicken gut aus. Das erleichtert uns dann die Zusammenarbeit, wenn ich wieder in Österreich bin.

In dieser dritten Reise haben wir wieder viel erreicht. Für die zukünftigen Projekte haben wir einen 4,5 ha großen Grund gekauft, der gleich in der Nähe ist vom jetzigen Standpunkt des Kindergartens. Es war aber sehr viel und harte Arbeit, den zu finden, zu kaufen und vermessen zu lassen. Vor allem beim Kauf muss man sehr aufpassen, dass alle, die anwesend sein sollten, anwesend sind, Zeugen dabei sind und auch die Chefs der Dörfer anwesend sind. Die Vermessungsarbeit ist auch nicht einfach, das es dann schon wieder viele Dokumente auszufüllen und zu kaufen gibt und man von einem Dorf zum anderen fahren muss, um die gewissen Personen zu finden, die diese Dokumente ausstellen.

Das Kindergartengelände haben wir wieder erweitert: Wir haben ein neues Gebäude als Lager gebaut, somit sind jetzt drei Gruppenräume zur Verfügung. Der Essensraum wurde vergrößert, der Spielplatz renoviert, beim Garten weiter gearbeitet und ein Tiergehege gebaut worin sich Ziegen- und Hühnerstall befinden. Unsere Hühner haben sogar schon begonnen Eier zu legen und sogar zu brüten und ich hoffe, dass wir bald kleine Küken bekommen. Unsere Ziege ist ein wirklicher Ausreißer, mit der hatten wir viel Arbeit-sie zu füttern und immer wieder einzufangen, nachdem sie es irgendwie geschafft hatte aus dem Gehege aus zu brechen. In Zukunft brauchen wir mehr Ziegen und einen stärkeren Zaun. Im Garten kommen wir voran, vor allem mit den Bezugspersonen der Kinder, aber leider fehlt mir zu oft die Zeit mich wirklich und intensiv darum zu kümmern. Deshalb brauchen wir im Garten noch unbedingt Hilfe und am besten auch gleich bei den Tieren.

Das Kaufen und Austeilen der Patengeschenke war eine riesengroße Arbeit, ich glaube, ich habe mindestens zwei Monate dafür gebraucht, da nicht jeden Tag Zeit ist und ich die Patengeschenke gleich mit einem Hausbesuch bei jedem einzelnen Kind verbinde. Vor allem zu Fuß (da zu dieser Zeit die Fahrräder noch nicht angekommen waren) dauert es lange. Bei jedem Kind verbringe ich dann ein wenig Zeit, schau mir die Hütte an, mache Fotos, erkläre die Geschenke, frage ganz viele Fragen und schaue nach dem Rechten. Judith hat mir dabei sehr geholfen, dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Dieses Mal sind auch sehr viele Babys gebracht worden: unterernährte Babys, Babys wo die Mutter bei der Geburt gestorben ist, Babys wo die Mutter vergewaltigt wurde, Baby mit einem Abzess auf Grund einer Injektion,…usw Aus diesen und vielen weiteren Gründen denke ich, dass in Zukunft auch ein Mutter-Kind-Zentrum von Vorteil wäre.

Die Kinder waren auch wieder sehr oft krank, obwohl sich sicher bei sehr vielen das Immunsystem gebessert hat, vor allem durch die Verbesserung der Ernährungssituation. Aber trotzdem waren manche Kinder dem Tod sehr nah, sie hatten nur mehr 2g Hemoglobin im Blut, das bedeutet, dass du fast schon tot bist. Es ist immer schwer so etwas zu hören, zu sehen, mit zu erleben…jedes Mal ist es wieder ein großes Bangen-bitte, bitte lieber Gott, gib dem Kind Kraft, lass es überleben. Das ist wirklich sehr schwer und hart. In Tshumbe bete ich viel öfter zu Gott und bitte ihn uns und den Kindern zu helfen, ja vor allem den Kindern, denn sie müssen jedes Mal so viel erleiden, es ist einfach unglaublich. Keiner bei uns in Österreich kann sich dieses Leid vorstellen, was schon ein Kind mit vier Jahren miterlebt hat-das hat bei uns jemand im ganzen langen Leben noch nicht erlebt. Sie sind alle starke Persönlichkeiten und haben einen Kämpfergeist, auch ich lerne so vieles von ihnen.

Was mich auch oft zum Nachdenken gebracht hat sind die Kinder, die ich in die neue Gruppe aufgenommen habe. Dieses Mal sind es noch viel ärmere Kinder, die noch mehr miterlebt haben, aus noch ärmeren Familien und das ist sogar für mich, obwohl ich inzwischen so viel gesehen und miterlebt habe, oft unvorstellbar. Es bring mich zum Nachdenken und stimmt mich oft traurig. In Tshumbe muss man hart im Nehmen sein, sonst hält man das psychisch nicht aus. Oft haben uns Menschen und Familien ihre Lebensgeschichte erzählt und ich war oft den Tränen nah. So viel Leid, wieso gibt es das nur? Wieso wird dagegen nichts unternommen? Und das sind nur wenige von tausenden, die vieles mitmachen müssen.

Ich bin dankbar, dass es uns so gut geht und hoffe, dass wir weiterhin viel in Tshumbe, gemeinsam mit der Bevölkerung so viel erreichen können. Denn trotz all der Krankheiten und Problemen, ist es doch ein Paradies indem die Menschen leben: Die Kinder wachsen miteinander auf, sie spielen mit jedem Grashalm und es ist die größte Freude mit an zu sehen, wie kreativ sie sind und wie sehr sie sich über die Kleinigkeiten freuen. Es ist so schön zu sehen, wie glücklich die Kinder sind, sie haben kein Spielzeug und nicht viel Kleidung, aber sie sind glücklich, sie haben Lebensfreude und sie helfen einander. Das schätze ich sehr an ihnen und deshalb komme ich auch immer wieder gerne nach Tshumbe zurück. Ich habe all die Menschen so ins Herz geschlossen, sie sind mein zu Hause geworden und meine Familie, die Kinder sind wie meine eigenen Kinder geworden- ich liebe sie alle sehr und möchte sie auf ihrem Lebensweg begleiten.

Jedes Mal danke ich innerlich wieder den Menschen in Tshumbe, weil sie sind wie sie sind. Ganz besonders einzigartige, starke und fröhliche Persönlichkeiten!

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